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HEINRICH HEINE DEUTSCHLAND, EIN WINTERMÄRCHEN
Ein musikalisch - dramatischer Zyklus für Stimme und klangerweiterten Flügelkomponiert und interpretiert von Hans-Karsten Raecke
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So nah - so fern
Randgeschriebene Anmerkungen zu Hans-Karsten Raeckes Vertonung "Deutschland - Ein Wintermärchen" "Deutschland ist von neuem eingeschlafen [...], seine Träume sind nicht mehr rosenfarbig." Wer hätte solch ein Urteil besser fällen können als der Kenner, dem das Bekannte fremd geworden ist; der Sprachartist, der den Fallstricken der Grammatik misstraut? Heine, der Exilant, der mit dem filigran - "Pariser" Blick den einverleibt und abgestoßenen Ursprung nach Jahren erstmals wieder erblickt, zerschneidet mit rasiermesserscharfen Versen jegliche Illusion eines preußischen Heimatwohlgefühls. Und doch: "Von künftigen Aufenthalten in Deutschland verspreche ich mir viel poetische Früchte [...]" liest man in einem Brief, geschrieben zur gleichen Zeit und vom gleichen Autor. "Deutschland - Ein Wintermärchen" - ein deutsches Phänomen und das explizit nicht nur aufgrund seines Inhalts? Sicherlich, da gibt es die Joyce'schen Irland-Hass-Manien und die Bernhard'schen Österreich-Zertrümmerungs-Staccati und doch ... Was meint die Statistik? ... Lassen wir das! Und wieder zurück zum Thema: die Heimat so nah, so fern? Hans-Karsten Raecke hat es sich zur Aufgabe gemacht, das gesamte "Wintermärchen" zu vertonen. Warum? Die Nähe? Heine, dieser menschlichste unter den Zynikern - Raecke ist ihm nach eigenem bekunden sehr "nahe". Die Ferne? Heine, dieser mit eiskalter Ironie befähigte Schreiber ist selbst niemals kalt; der berühmte Wahrheitsspiegel, den er den Menschen vorhält, er selbst wird von ihm durchdrungen, er krankt an ihm: "Eine Vorliebe für Deutschland grassiert in meinem Herzen, sie ist unheilbar." heißt es in besagtem Brief weiter, und Raecke sieht sich vom gleichen Virus der unheimlich nahen Ferne befallen. So schreiben beide mit dem notwendigen Abstand auf die eigene Substanz: der eine in Worten, der andere in Tönen. Erst wenn man vom Lachen ihrer Kunst geschüttelt wird, versteht man, dass es beide wirklich ernst meinen.
Was hat es nun mit dieser Vertonung des "Wintermärchens" auf sich? So wie Schubert-Lieder nun einmal in Tom Waits'scher Manier in die verrauchte Kneipe und nicht in den Kammermusiksaal gehören, holt Raecke sein "Wintermärchen" - es handelt sich um die Erstvertonung dieser Dichtung - zurück aus dem verstaubten Bücherregal der "Klassiker" auf den Boden der Brisanz und Ironie, auf dem sie sich auch tatsächlich bewegt. So ist es zunächst einmal nicht der verzaubernde Gesang einer Diseuse, sondern Raeckes eigene so durchaus angenehme Stimme, die dem Hör- und Seherlebnis den adäquaten Rahmen verleiht - hier will niemand etwas, und will doch so viel. Allein der Sprachduktus des Heine-Raecke-Gespanns gestaltet sich schon äußerst melodiös, ohne dabei auch nur den Anflug von prätentiöser Verführung zu propagieren. Dass die Wahl bei der Vertonung auf diese Art Komposition und diese Instrumentierung gefallen ist ... Verzeihen sie: Aber hier gab es keine wirkliche Wahlmöglichkeit! Raecke spricht von der Unmöglichkeit, diesen Text beispielsweise in dodekaphonische Tonbewegungen zu kleiden. Es gibt keine andere als die gewählte Möglichkeit der Vertonung dieser Dichtung, sagt Raecke, und wenn man das äußerst suggestive Hörergebnis kennt, kann man ihm nur beipflichten. Die 12 Sektionen seines klangerweiterten Flügels erlauben einen virtuosen Zugang zu jener Differenz der entfernten Nähe, die sie dann berührt, ohne sie zu vernebeln. Das Spektrum der Klänge reicht so von balinesischer Gamelan-Musik, über Tempelblöcke und Kirchenglocken, zum Leierkasten und wieder zurück zum Klavier. Da gibt es Passagen, die sich im Gewande farbenprächtigster Filmmusik zeigen, aber auch solche, die in schlichtem Schwarz/Weiß die Entfernung zum Hörer wieder bewusst vergrößern. Weite Teile abendländischer Musikkultur ziehen an einem vorbei: Arien, Rezitative, Märsche, Thema mit Variationen, durchkomponierte und kabarettistische Lieder, Songs, etc. Der Vortragende wird zum Akteur und bespielt sein Instrument mit Gartengeräten und Staubwedeln. Er tanzt und marschiert und entfernt sich von seinem Material immer weiter, je näher er sich auf dieses zubewegt. Als Hörer und Zuschauer folgt man dieser Bewegung - nur in umgekehrter Richtung.
Thomas Kurze
Kritik aus: DIE RHEINPFALZ vom 7.10.2003 "In ihrer Prägnanz und Ihrem Witz, ist Heines Versepos noch heute von größter Wirkung. Raecke hat sie adäquat umgesetzt, als Komponist, Sänger, Darsteller und Pianist in einer Person. Bei der Ausgestaltung von Heines Poesie bedient er sich aller Formen abendländischer Musikkultur: Rezitativ und Arie, literarisches und – vor allem – Kabarettchanson, das romantische Kunstlied klingt an und der Weillsche Songstil, Märsche und Volkslieder werden parodiert
Raecke beschränkt sich dabei keineswegs auf's bloße Singen und Rezitieren, er agiert auch als Darsteller, marschiert bei einem Spottlied aufs Militär, begibt sich bei einem Schlaflied mit Kopfkissen ins Innere des Flügels. Auf diesem klangerweiterten, sprich: mit allerhand Schrauben und Ähnlichem präparierten Flügel erzeugt Raecke nebst den angestammten auch Gamelan – und Trommelklänge, Donnern, Pfeifen und Heulen. Eine überaus spannende, ebenso unterhaltsame Aufführung und nach einheiliger Auffassung des Publikums das Beste, was Hans-Karsten Raecke je gemacht hat." Lesen Sie hier weitere Kritiken...
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