GRENZGÄNGE INS UNBEKANNTE
Elektronik-Jazz: Hans-Karsten Raecke trifft Mani Neumeier

Mannheimer Morgen / Nr. 229 - Donnerstag, 4. Oktober 2001

Wenn heute um 20 Uhr in der Mannheimer Kunsthalle die Klangwerkstatt-Musiktage beginnen, darf sich das Publikum auf ein spektakuläres Duo freuen: Hans-Karsten Raecke, Instrumentenbauer und Klangtüftler, wird mit dem Schlagzeuger Mani Neumeier (dem Chef der Rockband Guru Guru) auftreten. Ihr Konzert verspricht Abenteuerliches und Atemberaubendes - nachzuhören auf der soeben erschienenen (und beim Festival erhältlichen) CD „Prescanned Passages", auf der das Duo spannende Grenzgänge ins Unbekannte unternimmt; irgendwo im weiten Feld zwischen Experimental-Elektronik, freier Improvisation und Neuer Musik. Das Album ist als Trilogie konzipiert: Zunächst bringt Raecke auf seinem selbsterbauten Instrumentarium das Unerhörte ins Spiel: metallisch ratschende, schnarrende und schwirrende Splittertöne, die in mikroskopisch kleine Sound-Partikel zu zerfasern scheinen. Neumeier verleiht dem Höhenflieger ungeahnte rhythmische Bodenhaftung, bettet dessen Material-Erforschungen reaktionsschnell in jazzig swingende, bisweilen afrikanisch anmutende Trommelfolgen ein. Das Ergebnis: offene, abwartende, tastende Dialoge, archaisch und futuristisch zugleich. Szenenwechsel im folgenden Duo-Kapitel: Da zelebriert Neumeier auf Klangschalen, Glocken und Schellen eine faszinierende Meditation über Verhallen und Stille. Wenn Raecke dieses Perkussions-Ritual mittels elektronischer Effekte in geheimnisvolle Sphären-Bereiche entrückt, dann ergibt das eine Musik von fremdartiger, faszinierender Schönheit. Schließlich gipfelt die Trilogie in heftiges Power-Play, bei dem das Duo in wildester Free-Jazz-Manier hochexpressive Energien entfesselt - das furiose Finale einer begeisternden CD.