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BLASEN AUS DEM PFEIFEN-TOPF
NEUE MUSIK: Hans-Karsten Raecke in der Klangwerkstatt
Andrea Csollany, Mannheimer Morgen / Nr. 145 - Samstag, 26. Juni 2004
Klang-Magier Hans-Karsten Raecke präsentierte in der Galerie der Alten Feuerwache wieder einmal Neues aus seiner „Klangwerkstatt": Schier unerschöpflich ist seine Fantasie beim Erfinden neuer Instrumente und deren Ausstattung mit überraschendem Sound-Design. Im Vordergrund standen diesmal neue „Holzblasinstrumente", die diesen Namen nur wegen ihres Mundstücks tragen: Ganz aus Plastik-Abflußrohren besteht beispielsweise der Klangkörper des „Gummiphons", welchem Raecke mittels eines Bariton-Saxophon-Mundstücks in seiner „Wassermusik" obertonreiche Klänge entlockt. Das Zug-Metalluphon dagegen war einst ein Staubsaugerrohr und wurde nun mit einem Baßklarinetten-Mundstück zu neuem Leben erweckt. Ähnlich wie ein Didgeridoo klingt es, und mit Live-Elektronik begleitet entführt es in mystische Klangsphären. Überhaupt hat Raecke diesmal viel Sorgfalt auf die Begleitung verwandt, die den Sound der Instrumente verstärkt, verändert und verlängert; ein komplettes Orchester meint man zuweilen vor sich zu haben. In die Steppen Mittelasiens fühlt man sich versetzt bei „Kalamos"; mit orientalisch anmutender Improvisationsästhetik über Klängen des guten alten Moog-Synthesizers klagt die Bambus-Schalmei (mit einem Fagott-Doppelrohrblatt) einsame Weisen. Einem Panoptikum des Malers Hieronymus Bosch entsprungen könnte auch das „Ventil-Zug-Metalluphon" sein, ein „doppelstöckiges“ Blasinstrument sozusagen, welches per Ventil ein paar Oktaven nach unten dazuschalten kann und somit einen enormen Tonumfang erhält. Als „Mecklenburger Pferd" wieherte das Instrument munter drauflos und ließ sich mittels Begleitung vom Tonband in gemütlichen Trab versetzen. Von ausgeklügelter Bauweise ist auch das „Pfeifen-Topf" - Blasinstrument: Handlich auf Kugelform gebogen, mit Fimo ummäntelt und mit Grifflöchern versehen, kann dieses Instrument im Bedarfsfall auch als Tabakspfeife verwendet wer den, oder auch mit Seifenlauge, die dann herrliche Seifenblasen entstehen läßt. Der Sound ist dann dunkel-getragen und erinnert an das armenische „Duduk": Schwärmerisch und sehnsuchtsvoll die Melodien, die Raecke im Werk „Elemente" anklingen läßt, aber auch virtuos im Dialog mit der Live-Elektronik. Eine „alte Bekannte" ist mittlerweile die „Blas-Metall-Dosen-Harfe": Ein mit filigranen Saiten-Strängen umwobenes Getüm mit drei Klang-Türmen, welches man streichen, zupfen und anblasen kann. Letzteres entfiel an dem Abend, dafür konnte man suggestiven Harfenklängen lauschen, die ab und an von lautem, fast lärmendem Gepolter gestört wurden. Musik des 21. Jahrhunderts, so Komponist Raecke, kann eben auch lärmen und erschrecken, muß es aber nicht! Das ist vielleicht als Fortschritt gegenüber der „Avantgarde" des vergangenen 20. Jahrhunderts zu verzeichnen.
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