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DIE BILDER EINER AUSSTELLUNG KOMMEN ZU WORT
Hans-Karsten Raeckes Mussorgsky-Bearbeitung bei den Klangwerkstatt-Musiktagen in Mannheim uraufgeführt
Uwe Engel, Die Rheinpfalz / Nr. 234 - Donnerstag, 7. Oktober 2004.
13 muss keine Unglückszahl sein. Die 13. Klangwerkstatt-Musiktage in Mannheim standen unter einem guten Stern. In der Alten Feuerwache boten der Komponist und Instrumenten-Erfinder Hans-Karsten Raecke und seine Mitstreiter wieder originelle akustische und optische Kunst, Avantgarde jenseits des Mainstream. Ging es im letzten Jahr um das Thema „Sprache im musikalischen Kontext", so stand diesmal die Verbindung Musik und Malerei im Mittelpunkt. Hauptwerk der Musiktage war Raeckes neue Fassung der „Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgsky. Wer Mussorgsky genialen und ungemein zukunftsweisenden Klavierzyklus bearbeitet, kann dies nicht tun ohne die Vielzahl von Arrangements im Hinterkopf: die Orchestrierungen von Ravel und anderen, die Synthesizer-Version des Japaners Tomita oder die Rockmusik-Adaption von Emerson, Lake and Palmer. Hans-Karsten Raecke war sich dessen bewußt und hat sich mit den „Bildern" auf eine völlig neue Weise auseinander gesetzt. Er hat sie mit Texten ergänzt und in eine Fassung für Chor und zwei Synthesizer gesetzt. Bei seinen poetischen Texten hat sich Raecke der Mittel zeitgenössischer Lyrik bedient: Chiffren für die menschliche Befindlichkeit, das Eingespanntsein in Zwänge, aber auch die Hoffnung daraus zu entfliehen. Die Botschaft ist teilweise sehr konkret und drastisch, oft aber auch hermetisch-rätselhaft oder satirisch in Kinderreimen versteckt. Raecke hat den Notentext dabei nicht einfach von Anfang bis Ende umgesetzt, er bricht ihn häufig auf, lässt Passagen wiederholen, lässt die Sänger längere Sprach- und szenische Passagen selbst gestalten, gibt dem Ganzen so ein aleatorisches wie theatralisches Element. Zwei Keyboards, aufmerksam gespielts von Hermann Keller und Christoph Wünsch, steuern die Instrumental-begleitung bei, gesamplete Klänge, mit viel Schlagzeug und anderen perkussiven Effekten, mit wabernden Streichertönen und einem unheimlich nachhallenden Gelächter im „Gnomus". Raecke ist eine eindrucksvolle und schlüssige Version der „Bilder einer Ausstellung" gelungen, die Resonanz des überwältigten Publikums zeigte es. Die Hälfte des Ruhms gebührt allerdings, dem Chor für seine vorzügliche Umsetzung. Der Staatliche Serenaden, Chor St. Petersburg unter Leitung seiner Dirigentin Olga Zaharova lieferte eine perfekte Umsetzung der Partitur, zeigte sich auch den Schwierigkeiten der - phonetisch einstudierten - fremden Sprache gewachsen. Und der Chor sang nicht nur, sondern zeigte auch eine szenische Aufführung: der Regisseur Stanislav Mosgovoy hatte Raeckes Texte in szenische Aktionen umgesetzt und dabei alles unter das Generalthema „Totalitarismus" gestellt. „Das Ballett der Küken in ihren Eierschalen" wurde so zur Studie des Erziehungsdrills der Jugend durch die Knute der Erwachsenen, die „Katakomben" zeigten die Szenerie nach einem Atomschlag. Eine nachhaltig im Gedächtnis haftende Darstellung, bei der sich die jungen Sänger auch als begabte Schauspieler präsentierten.
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